Kapitel Zwei
Wesentlich entspannter kam ich aus dem Bad, schritt ins Wohnzimmer und ertappte Kiiridoro, wie er mit einer schnellen Bewegung die Hand aus meiner Schreibtischschublade zog.
»Erwischt!« sagte ich.
»Jaja, das sagt der Richtige« sprach der Kleine, griff wieder in die Schublade und zog einen Beutel Gras heraus, schwenkte ihn hin und her und fragte in spöttischem Tonfall: »Was haben wir denn hier?«
»Kryptonit auf Pflanzenbasis, falls Superarsch mir mal die Tour vermasseln will« antwortete ich sarkastisch. »Scheinst dich ja auszukennen, sonst würdest du nicht so dumm fragen.«
Ich umrundete den Wohnzimmertisch, ließ mich auf die Couch fallen und fragte: »Kannst du damit was anfangen oder ist das nichts für dich? Beziehungsweise bringt das überhaupt was bei deinesgleichen?«
Kiiridoro sprang auf meinen Gaming-Stuhl. »Nö, Drogen haben bei uns eine vergleichbare Wirkung wie bei euch Menschen und wie sagt man so schön, ein Tütchen in Ehren, kann niemand verwehren!«
»Kannst du auch bauen?« fragte ich.
»In der Tat« antwortete der Dämon, wieder in diesem merkwürdigen Tonfall, der mich in den Tiefen meines Schädels an irgendetwas erinnerte.
»Fein« sprach ich. »Dann bau mal!«
Der Dämon holte Luft um scheinbar irgendwas zu sagen, doch ich fuhr sofort dazwischen: »Keinen Mucks will ich hören! Du darfst schließlich mitrauchen, aber da mir das Bauen nicht liegt und du gar nicht erst auf den Gedanken kommen brauchst, dass du dich hier im Hotel befindest, bist du ab heute mein staatlich geprüfter Baumeister! Und jetzt bau Junge, ich kümmere mich in der Zwischenzeit um den Fernseher, den mir irgend so ein Drecksack kaputt gemacht hat.«
Kiiridoro grunzte, aber es klang keineswegs verärgert und kramte den Rest der benötigten Materialien aus dem Schreibtisch.
»Besser für ihn« dachte ich mir und stand auf. Wenn ich mich schon notgedrungen arrangieren soll, dann konnte ich das schließlich auch von ihm erwarten.
Ich ging zum Fernseher, zog das Stromkabel aus der Steckdosenleiste und wickelte es um den Fernseher. Dann entfernte ich die zwei eingesteckten HDMI-Kabel, schleppte den Fernseher in den Keller und warf ihn einen kleinen Raum, in dem ich Material für den Schrottplatz sammelte.
»Ich sollte langsam mal anfangen den Mist hier zu sortieren.« murmelte ich, als ich den Haufen begutachtete. »Naja, es eilt ja schließlich nicht …«
Ich zuckte mit den Schultern, machte kehrte und begab mich zwei Stockwerke höher ins Schlafzimmer. Der Fernseher dort war zwar nicht ganz so groß wie der, der nun für unbestimmte Zeit im Keller Opfer von Staub und Spinnenweben werden würde und eine Fernbedienung existierte dafür auch schon lange nicht mehr, aber wenigstens funktionierte er.
»So ein Mist« dachte ich. »In Zukunft werden die Gras- und Serienwochenenden im Bett mit der einen oder anderen Dame nicht mehr so entspannt.«
Dafür würde ich schließlich jedes Mal den Fernseher hin und her schleppen müssen. Mal die Augen offenhalten, ob ich irgendwo günstig einen „Neuen“ abgreifen konnte.
Mit dem Fernseher in den Armen im Wohnzimmer angekommen, rief Kiiridoro „Fertig“ und präsentierte mir sein Werk.
»Sieht doch schon mal ganz ordentlich aus« lobte ich. »Wer baut der haut, also hau an das Ding!«
Ich stellte den Fernseher auf das eigens dafür produzierte Möbelstück und wollte mich gerade um die Kabelage kümmern, als hinter mir der Dämon sich die wahrscheinlich nicht vorhandene Seele aus dem Leib hustete. Grinsend drehte ich mich um und meinte:
»Na, nix mehr gewöhnt wie?«
Er hustete weiter, während er mir den Dübel entgegenstreckte.
»Dankeschön« meinte ich immer noch gut gelaunt, ergriff den Joint und nahm einen ordentlichen Zug.
»Ficken« dachte ich, als ich mir die ebenfalls wahrscheinlich nicht vorhandene Seele aus dem Leib hustete. Zum einen war die Tüte zu lose gedreht und hatte daher einen unerwartet hohen Durchzug und zum anderen hatte der Kleine wohl vorgehabt mit der Mischung einen Elefanten zu betäuben.
Immer noch um Luft ringend fuhr ich ihn an: »Sag mal, kannst du überhaupt irgendwas?? Erst der Kaffee und jetzt die Tüte, bist du immer so verschwenderisch oder willst du mich schnellstmöglich umbringen, damit du es dir hier ohne nervigen Mitbewohner bequem machen kannst?«
»Fuck, das war nicht der Plan« krächzte Kiiridoro, noch immer mit seinem Husten kämpfend. Ich entfernte die Glut, dröselte den Joint auf und entlud den Inhalt auf einem Mischblatt.
»Was hast du denn erwartet?« fragte ich ihn. »Das sind bestimmt zu 80 Prozent Gras. Ich weiß ja nicht, was für ein komisches Zeug du bisher geraucht hast, aber …« Ich hielt inne. Irgendetwas war in der Mische, was dort nichts zu suchen hatte. Ich nahm mir eine Pinzette, packte damit den Fremdkörper und inspizierte diesen. Ein Span, grün-transparent und es sah so aus, als sei dieser aus Kunststoff. „Was zum Geier ist das?“ fragte ich in Kiiridoro’s Richtung, als mein Blick auf den Grinder fiel. Ein grün-transparenter Grinder und zwar aus Kunststoff.
»Willst du mich verarschen?« entfuhr es mir. Ich nahm den Grinder und öffnete ihn. Die Zähne im Inneren hatten deutliche Kratzspuren.
»Was denn?« fragte Kiiridoro.
»Was denn?« äffte ich nach. »Was hast du mit dem Grinder angestellt? In der Mische ist Plastik und zwar aus dem Ding hier« und dabei wedelte ich mit dem misshandelten Werkzeug.
»Das Teil war total verharzt, da hab ich ihn etwas frei geräumt.«
»Womit, mit einer verfickten Gartenkralle? Im Plastik sind deutliche Kampfspuren, kein Wunder, dass der Dübel so eine fiese Nummer ist!«
Ich begann damit, das Material auf dem Mischblatt aufs peinlichste zu untersuchen und weitere Späne auszusondern.
»Nö, mit meinen Klauen« sagte der Dämon und begutachtete seine rechte Hand.
»Na dufte« knurrte ich. »Feingefühl wird ja auch total überbewertet.«
»Tut mir leid, kann ich dir irgendwie helfen?«
»Nein, bin eh fast fertig.« Ich durchsuchte den letzten Rest nach unerwünschten Beilagen.
»Hier guck dir das an Herr Baumeister« forderte ich ihn auf und hielt ihm die ganzen Späne unter die Nase. Er würdigte dem Haufen einen kurzen Blick, presste die Lippen zusammen und sah mich mit großen schwarzen Augen an.
Dies war das erste Mal, dass ich mir so wirklich der Augen des Dämons gewahr wurde. Sie schienen etwas zu groß für das schlanke Gesicht. Die Bindehaut war so schwarz wie das Nichts, man hatte beim Betrachten das Gefühl, in der endlosen Leere zu versinken, die Iris war weiß, aber es wirkte stets so, als würden feine Schatten darüber wandern und die Pupillen waren von einem dunklen rot und schienen je nach Lichtverhältnissen förmlich zu glühen.
Ich musste mich losreißen, um mich wieder den wirklich wichtigen Dingen des Lebens zu widmen.
„Wo hast du denn den Tabak?« wollte ich von ihm wissen.
Er reichte ihn mir. Ich nahm ihn entgegen und reicherte die Mischung solange mit Tabak an, bis das Verhältnis meinen Vorstellungen entsprach.
»So« sagte ich zufrieden und reichte ihm das Mischblatt. »Auf zur zweiten Runde.«
Dann stand ich auf, beendete die Installation des Fernsehers, holte aus der Küche Handfeger und Schaufel und entsorgte die Glassplitter die noch von Kiiridoro’s Unfall herrührten. Danach schaltete ich den Fernseher an und versuchte die Kiste irgendwie auf HDMI umzustellen. Das war leichter gesagt als getan, da die Bedienknöpfe an dem Ding etwas eigen waren und mehr rumzickten als meine Ex-Freundin.
»Boah, blödes Scheißteil!« fluchte ich, als die Dreckskiste wie erwartet nicht das tat, was sie sollte.
Endlich, der Video-Output meines Rechners erschien auf dem Bildschirm. Die Ränder waren zwar etwas abgeschnitten und die Farbqualität war auch nicht ganz so schön wie auf dem Monitor, aber wenigstens konnte man von der Couch aus wieder dem Filmgeschehen folgen.
Ich drehte mich zu Kiiridoro um und sah, dass er mit dem Joint mehr oder weniger fertig war.
»Sehr gut« meinte ich und rollte den Stuhl mitsamt dem kleinen Qualgeist zur Seite.
»Eeh«, grollte dieser.
»Also ich würde ganz gerne was gucken beim Rauchen« meinte ich. »Und soweit ich weiß, kennt sich nur einer von uns mit meinem Dateisystem aus und ich glaube, dass bist nicht du.«
»Ach so, ja, dann mach mal« stimmte der Kleine mir zu. »Was willste denn gucken?«
»Hatte an South Park gedacht, sagt dir das was?«
»Ist das nicht so eine Zeichentrickserie für Kinder?« fragte der Dämon zweifelnd.
»Du Unwissender« empörte ich mich lachend. »Zeichentrick lasse ich mal gelten, aber für Kinder ist das definitiv nichts! Aber das ist doch prima, dann kann ich dich ja mal gleich mit echter Kunst vertraut machen. Hab selten etwas gesehen, dass Humor, Perversion, Gesellschaftskritik und was weiß ich noch alles, auf so eine geile Weise miteinander vereint. Und das Schöne ist auch, dass in den meisten Staffeln die einzelnen Folgen abgeschlossene Geschichten bilden und man sich somit viele Folgen einzeln rauspicken und gucken kann. Und jetzt genug geschwafelt, ich such mal was Witziges für den Einstieg raus und du darfst schon mal den Dübel anstecken.«
Das ließ sich der Damon nicht zweimal sagen, während ich in Gedanken meine Lieblingsfolgen durchging.
Staffel 13, Folge 1, der Ring, ganz oben in meinen Favoriten. Es ist immer wieder ein Genuss zuzusehen, wie Mickey Maus die Jonas Brothers aufmischt und dabei sein weltberühmtes „haho“ am Satzende zum Besten gibt, unbezahlbar. Aber nein, das hebe ich mir für später auf.
Staffel 4, Folge 7, Flaggenkrieg, die Folge auf die ich mich stets berufe, wenn ich anmerken möchte, dass etwas augenscheinlich Rassistisches, vielleicht doch gar nicht so rassistisch ist, sondern der Interpretierende das eigentliche Problem ist. Hmm, etwas trocken vielleicht und vielleicht benötige ich die Folge später noch.
Staffel 5, Folge 4, Scott Tenorman muss sterben. Das ist es! Witzig, eklig, ein guter Plot, perfekt. Ich suche am PC die Folge raus und starte sie, stehe auf, gehe zur Couch und lasse mich neben Kiiridoro darauf fallen. Er reicht mir den Dübel. Ich nehme ihn entgegen und nehme einen tiefen Zug.
»Na also« dachte ich. »Es geht doch.«
Zufrieden nahm ich zwei noch tiefere Züge, bevor ich den Joint zurückreichte und dem Seriengeschehen folgte.